pdfFaktencheck Entwicklung der Tierbestände. Gibt es immer mehr Nutztiere in Deutschland?


Bad Pyrmont. In einem Brief an die Stadt Bad Pyrmont haben wir Stellung zu einem Antrag der Bad Pyrmonter Ratsgruppe "Gruppe 17" zum Thema Artenvielfalt genommen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

anlässlich unseres am 4. Dezember 2019 im Rathaus geführten Gesprächs mit Vertretern der Gruppe 17 und der AfD möchte wir auf die o.g. Angelegenheit zurückkommen.

Zum Ende des aus Sicht der teilnehmenden Landwirte sehr enttäuschenden Gesprächs haben uns die anwesenden Vertreter aus den beteiligten Fraktionen signalisiert – so jedenfalls deuten wir es –, dass die Landwirtschaft ihr mit Schreiben vom 05. November 2019 unterbreitetes Angebot zum Antrag der Gruppe 17 nachbessern und den dort erhobenen Forderungen noch weiter entgegenkommen solle.

Nach reiflicher Überlegung und intensiver Diskussion mit den in Bad Pyrmont ansässigen Landwirten haben wir uns entschieden, bei unserem Angebot zu bleiben und der Gruppe 17 sowie der AfD in dieser Sache nicht weiter entgegenzukommen. Gerne erklären wir Ihnen, warum:

Die Landwirte in Bad Pyrmont engagieren sich für den Schutz der Artenvielfalt. Wir weisen hier auf mehr als 32 ha Blühstreifen hin, die sie auf den Ackerflächen in der Gemeinde angelegt haben, teilweise ohne weitere Förderung. Dieses Engagement ist vermutlich um ein Vielfaches größer, als private Gartenbesitzer und ehrenamtliche Gruppen es derzeit im Gemeindegebiet leisten. Darüber hinaus beteiligt sich der Berufsstand an dem gemeinsam von Stadt und NABU ins Leben gerufenen Bündnis für Artenvielfalt. Hier unterstützen wir die Anlage von Blühwiesen auf kommunalen Flächen, auf denen derartige Maßnahmen wirklich Sinn machen, wie z.B. auf Verkehrsinseln, öffentlichen Grünflächen, etc.. Wir stellen aber auch klar, dass landwirtschaftliche Flächen in erster Linie zur Erzeugung von Nahrungsmitteln dienen.

Zum konkreten Antrag der Gruppe 17:

Kernpunkt des o. g. Antrages der Gruppe 17 ist für die Landwirtschaft die Ziffer 7. Danach soll bei der Neuverpachtung von landwirtschaftlichen Nutzflächen im kommunalen Eigentum mit den Neupächtern vertraglich vereinbart werden, dass
diese auf den Pachtflächen keine Totalherbizide wie Glyphosat und keine Neonikotinoide mehr einsetzen dürfen und
sie auf einer Schlagseite einen mindestens 3 m breiten Grünstreifen anlegen müssen.

Wir haben hiergegen eingewendet, dass ein Verbot von Neonikotinoiden nicht notwendig ist, da diese Mittel bereits seit dem vergangenen Jahr bundesweit verboten sind. Ein vertragliches Verbot wäre daher nicht nur bloße Symbolpolitik, sondern darüber hinaus auch reiner Unfug.

Auch ein vertragliches Verbot von Totalherbiziden ist gänzlich unnötig, da bereits weitreichende und detaillierte bundes- und landessrechtliche Vorschriften einen sicheren und schonenden Einsatz gewährleisten. Auf Grünlandflächen werden sie z.B. nur selten -allenfalls vor einer Neuansaat der Grasnarbe- eingesetzt. Darüber hinaus haben wir zu bedenken gegeben, dass eine erosionsvermeidende und ressourcenschonende pfluglose Bodenbearbeitung (konservierende Bodenbearbeitung) auf Ackerflächen ohne Einsatz von Totalherbiziden nicht auskommt, um eine überbordende Verunkrautung der Ackerkulturen vernünftig zu vermeiden und einen wirtschaftlichen Ackerbau betreiben zu können. Ein Verzicht auf eine konservierende Bodenbearbeitung ist aber für den Klima- und Bodenschutz schlecht. Wir haben hier also einen Zielkonflikt zwischen Artenschutz und Klimaschutz, den die Antragsteller offenbar ignorieren.

Ebenfalls sehen wir in einer pauschalen vertraglichen Verpflichtung zur Anlage von Blühstreifen einen erheblichen Nachteil für die Bewirtschafter, weil sie die öffentlich-rechtliche Förderfähigkeit, z. B. über Agrarumweltmaßnahmen wie das Blühstreifenprogramm, ggf. ausschließen. Damit würde man der Artenvielfalt einen Bärendienst leisten.

Gentechnisch verändertes Saatgut wird in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund unwägbarer haftungsrechtlicher Folgen für den Anbauer nicht eingesetzt. Ein vertragliches Verbot fördert also – wie bei den Neonikotinoiden – nicht etwa die Artenvielfalt in Bad Pyrmont, sondern dient lediglich der Profilierung der antragstellenden Fraktionen.
Daher haben wir in unserem genannten Schreiben vorgeschlagen, anstelle der unter Ziffer 7 des Antrags formulierten pauschalen Bewirtschaftungseinschränkungen gezielt kommunale Flächen auszusuchen, auf denen die Anlage von Blühstreifen naturschutzfachlich wirklich Sinn macht, um dann gemeinsam mit dem Pächter und der Bewilligungsstelle der Landwirtschaftskammer Niedersachsen nach Lösungen für die Umsetzung zu suchen.

Bedauerlicherweise mussten wir feststellen, dass bei unserem Treffen keiner der anwesenden Vertreter der der Gruppe 17 angehörigen Fraktionen gewillt bzw. in der Lage war, inhaltlich über die von uns vorgebrachten Bedenken und Anregungen zu diskutieren.

Lediglich der Vertreter der AfD hat sich in einem umfassenden Wortbeitrag inhaltlich zu den Gründen geäußert, aus denen heraus er dem Antrag der Gruppe 17 zustimmt. Allerdings waren seine Ausführungen eher auf den Schutz der Artenvielfalt im Allgemeinen gerichtet, und ließen einen konkreten Bezug zu den von uns vorgebrachten Bedenken vermissen.

Die Vertreterin der Grünen begründete den Antrag lediglich damit, dass der Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen beschlossen habe, derartige Anträge in allen kreisangehörigen Städten und Gemeinden einzubringen, und dass der vorliegende Antrag daher nun auch in Bad Pyrmont umzusetzen sei. Auf Nachfrage betonte sie –ohne Widerspruch der übrigen anwesenden Fraktionsvertreter-, der Antrag sei für sie auch nicht verhandelbar.

Zu Recht haben sich die anwesenden Landwirte nach dem Treffen gefragt, weshalb man sich unter diesen Voraussetzungen überhaupt zu einem Gespräch getroffen hat.

Die in diesem Zusammenhang von Frau Michel vorgebrachte Behauptung, in Hessisch-Oldendorf habe der Gemeinderat einen entsprechenden Antrag bereits beschlossen, entspricht nicht den Tatsachen: Auf meine Nachfrage hin wurde mir von Seiten der dortigen Gemeindeverwaltung berichtet, dass ein Beschluss, chemischen Pflanzenschutz auf Pachtflächen im kommunalen Eigentum einzuschränken, nicht gefasst wurde. Es gebe lediglich einen Beschluss zur Anlage von Blühstreifen; dieses werde aber regelmäßig in Absprache mit den Pächtern umgesetzt.
Es ist also keinesfalls so, dass in Bad Pyrmont nur noch das umgesetzt werden soll, was in anderen Gemeinden bereits umgesetzt worden ist. Unserer Meinung nach kann in Fragen der Artenvielfalt auch nicht maßgeblich sein, was der Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen gerne hätte, sondern allein dass, was der Stadt Bad Pyrmont förderlich ist.

Auch das Festhalten von Herrn Schrader als Vertreter der SPD-Fraktion an dem vorliegenden Antrag war argumentativ äußerst „dünn“: Seine Grundsatzkritik, die Viehhaltung in der Landwirtschaft hätte in den vergangenen Jahren immer weiter zugenommen, ist unzutreffend. Wie die diesem Schreiben beigefügte Anlage belegt, hat die Anzahl der Großvieheinheiten aller in der Bundesrepublik Deutschland gehaltenen Nutztiere seit dem Jahr 1900 erheblich abgenommen.
Die von Herrn Schrader getroffene Aussage bezog sich zwar nicht konkret auf den hier in Rede stehenden Antrag. Aber solche falschen Aussagen „nerven“ die Bäuerinnen und Bauern zunehmend, und sollen deshalb nicht einfach so im Raum stehen bleiben.

Im Hinblick auf die übrigen die Landwirtschaft betreffenden Anträge ist natürlich klar, dass Wegeseitenstreifen usw. im Eigentum der Kommune und daher auch unteren Verfügungsgewalt stehen. Dennoch appellieren wir auch hier weiterhin daran, Aspekte der Artenvielfalt gegen Anforderungen an die Verkehrssicherheit und Funktionsfähigkeit von Wegen und Gewässern abzuwägen und hier Augenmaß walten zu lassen.

Mit Blick auf die Ankündigung, dass der Antrag der Gruppe 17 in der kommenden Ratssitzung behandelt werden soll, bitten wir Sie, dieses Schreiben an die im Stadtrat vertretenen Fraktionen weiterzuleiten.

Mit freundlichen Grüßen
Henning Brünjes
(Geschäftsführer des Landvolkes Weserbergland)